WertePost – Ressourcen
14. November 2022Werte-Post – Aktiva, Abschreibung und Langlebigkeit
27. November 2022Mehr Klimaaspekte
Less reporting – more accounting, weniger Berichtswesen, mehr Buchführung
Teil 3:
In den fünf Teilen dieser Serie von WertePosts gehen wir der Frage nach, inwieweit unsere derzeitigen Reporting Werkzeuge tauglich sind, die notwendigen Schritte für unsere Zukunftsfähigkeit (Sustainability) zu erzielen. In Teil 1 untersuchen wir, ob die Agenda 2030 für Unternehmen wirksam ist. Teil 2 behandelt die Frage nach den Ressourcen und der Frage nach der Endlichkeit. Teil 3 wirft einen Blick auf die Klimafragen und -reporting. Teil 4 bringt einen neuen Ideenansatz, die Nachhaltigkeit im Umgang mit unseren Ressourcen mit einem anderen Umgang mit Aktiva und AfA zu lösen. Teil 5 beleuchtet ESG und die EU-Taxonomie und deren Schwächen. Den Abschluss bildet ein Resümee.
Spurengase
Klimawandel, ein gigantisches Thema, das gefühlt kaum in eine Bilanz passt. Wir haben uns als Staatengemeinschaft auf die Deckelung 1,5 beziehungsweise 2 Grad Erderwärmung verständigt (COP Pariser Klimaabkommen). 1. Manko und Schlupfloch: Dies allerdings ohne feste Vereinbarungen und Verträge für die einzelnen Staaten. Zur Erinnerung, CO2 ist ein Spurengas, das mengenmäßig am stärksten auftretendes Treibhausgas. Es hinterlässt in unserer Atmosphäre gefährliche Spuren. Doppelter Wortsinn, zweischneidiges Schwert. Und dies bereits seit vielen Jahrtausenden. CO2 kontrolliert in der Atmosphäre die Strahlungsbilanz. Es wirkt wie ein natürlicher ‚Thermostat‘ für unseren Planeten. Wir Menschen haben die letzten 100 Jahre zu viel Treibhausgas in den Orbit entlassen. Die globale Erderwärmung ist darauf zurückzuführen. Grundsätzliche Frage: Warum ist es nicht unser Ziel, die Atmosphäre gar nicht mehr zu erwärmen? Die Haltung etwas so abstrakt Bedrohliches wie CO2 einzusparen, wirkt pädagogisch gesehen anscheinend nicht oder wenig. Es wird von der breiten Erdenbevölkerung nicht in gewünschtem Maße ernst genommen oder befolgt. Gleiches gilt für den Wasserstand und Temperatur der Meere.
CO2 ein reaktives Molekül. Es löst die Silikate in der Erde und entzieht sie der Atmosphäre als feste Kohlenstoffverbindung (Carbonate). Das ist der natürliche und langlebige Kohlenstoffzyklus. Dieser natürliche Prozess wird durch die Erderwärmung deutlich beschleunigt. Würde kein CO2 ausgestoßen, würde unsere Biosphäre sterben. Einer der Aufgaben der Menschheit ist es zukünftig, diesen CO2 Prozess in der Balance zu halten.
Der CO2 Zertifikate Handel auf der Basis des „Greenhouse Gas Protokolls“ (GHG) hat gezeigt, dass eine Menge an CO2 an der Börse zu einem monetären Wert werden kann. Das große Zählen hat begonnen und ERP-Player, angefangen von der SAP, Salesforce, Oracle, Microsoft versuchen der CO2 Ermittlung in ihren Systemen Herr zu werden. Für die Öko-Bilanz existiert die Norm ISO 140144. (Seit 2009)
Quantifizierbare Werte wie CO2 oder SO4 in Unternehmen sollten mengenmäßig erfasst werden. Wir erreichen es als Staatengemeinschaft kollektive verbindliche Gesetze zu erlassen. Der Anfang war Klimaschutzabkommen von Kyoto und später Paris.
Eine alles entscheidende Rolle könnte das Methan spielen. Stichwort Permafrostböden. Dr. Cyril Brunner, „Methan, das zweitwichtigste Treibhausgas.“. Wer bei Methan zuerst an Erdgas denkt, liegt nicht falsch. In der Schweiz fallen jedoch 80 Prozent der Methanemissionen auf die Nutztierhaltung zurück.
Methan ist ein starkes Treibhausgas. Es trägt heute etwa 0.54 Grad Celsius zur Erwärmung bei, wird aber in der Atmosphäre bereits nach 20 Jahren um über 80 Prozent abgebaut. Über 20 Jahre heizt Methan etwa 81-mal stärker als dieselbe Menge CO2. Der Anteil von CO2 an der Erwärmung beträgt heute ungefähr 0.87 Grad.1 Das Gas hält seine wärmende Wirkung hingegen während Tausenden Jahren aufrecht. Vergleicht man über 100 Jahre, wärmt Methan etwa 29-mal stärker als CO2.
Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Treibhausgas#/media/Datei:Major_greenhouse_gas_trends.png
Klimaaspekte – Kipppunkte
Durch die nahezu unkontrollierbaren Prozesse im Orbit, haben wir es laut dem Potsdamer Institut für Klimaforschung (PIK) mit einer Anzahl von verschiedenartigen Kipppunkten[1] zu tun. Das Klima ist ein Komplexphänomen. Drei der neun wissenschaftlich beschriebenen Kipppunkte belegen dies. Die Schmelze des Grönlandeises und die beiden „Umwälzpumpen“. Der Jetstream ist für den Kalt- und Warmluftaustausch in der Atmosphäre zuständig. Der Golfstrom AMOC (Atlantic Meridional Overturning Circulation) bewegt mit seiner Umwälzzirkulation das Ozeanwasser und sorgt für den Temperaturausgleich von extrem kalten wie warmen Wassermassen. Diese Kipppunkte drohen aufgrund der selbstverschuldeten Erderwärmung außer Kontrolle zu geraten.
Der jüngste IPCC-Report 8.2021 (state of the climate report 2021, insgesamt 4000 Seiten[2], ipcc report 2022 summary pdf)und die oben benannte Studie des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK)[3] zum Thema climate change 2022 und Kipppunkte belegen dies auf alarmierende Weise. Die Lese dieser Berichte kann, auch wenn wir um die Grundproblematik und Tendenzen dieser Entwicklungen bereits seit mehr als 50 Jahren wissen, zur Ohnmacht führen. Es wird allerhöchste Eisenbahn, grundsätzlich etwas zu ändern. Mit schnellen Transformationen in einer warmen und komfortablen Welt haben es die Menschen es anscheinend schwer.
Bildquelle: https://www.protect-the-planet.de/event/2021-rahmstorf-kipppunkte/
Zwei polare Szenarien
Es sind polare Szenarien denkbar und sicherlich viele andere darüber hinaus. Das erste ist simpel wie verheerend. Wir leben so weiter und sehen zu, was passiert. Die nahezu unweigerliche Folge wird ein Kollaps unserer Ökosysteme.[4] Wie genau er aussehen wird und wann er eintreten wird, ist nicht genau bestimmbar. Dass er kommen wird, ist sehr wahrscheinlich.
Das zweite Szenario ist vielgestaltiger, immens aufwendig und extrem schwierig in der Durchführung. Wir lösen das Problem. Wir lernen mit hoher Geschwindigkeit anders mit dem Energieverbrauch und unseren natürlichen Ressourcen hauszuhalten. Damit meinen wir in erster Linie auf der Systemebene. Ebenso benötigen wir technische exponentiell gesteigerte Effizenzlösungen. Wir benötigen hochkreative, kooperative interdisziplinäre Schmieden für neue Ideen und Umsetzungen. Forschung allein reicht nicht aus. Das ist nur der Anfang einer langen Aufzählung.
Drei Beispiele: Auf der individuellen Ebene sollten wir mehr Mäßigung lernen. Beim Verbrauch sparen wir zukünftig in besser definierten Grenzen.
Wir Menschen benötigen klare Leitplanken, wie zum Beispiel eine monatlich zur Verfügung stehende Menge an Strom und Wärmeenergie. Werden diese Mengen an Energiekosten überschritten, müssen die Kosten exponentiell steigen. Zumindest so lange, bis wir über Technologien verfügen, die unseren Ressourceneinsatz effektiver und klimaneutraler gewährleisten.
Hauseigentümer werden zu Investitionen mit viel kürzeren Fristen gesetzlich gezwungen werden. Bei Nichteinhaltung drohen empfindliche Strafen. Günstige Darlehen haben bislang wenig Wirkung gezeigt. Obschon sie sinnvoll sind. Jährlich wird nur etwa 1% des Immobilienbestandes in Deutschland saniert. Das ist definitiv zu wenig. Und es ist zu langsam.
Staaten, welche den globalen Klimazielen nicht folgen oder sie einhalten, werden vom internationalen Gerichtshof zu empfindlichen Strafen verurteilt. Der Druck der anderen Staaten auf die Verweigerer muss ungeheuer steigen. Wir wissen, dass China, Indien, Brasilien, Russland und einige andere Staaten den überwiegenden Anteil am Ausstoß der Treibhausgase haben. Die reichen Staaten fördern in Zukunft massiv die ärmeren mit Investitionen oder Klimatechnologien.
COP 27: Etwa 30.000 Menschen fliegen jährlich aus aller Welt an einen Ort und reden über das Klima. Vielleicht mit den besten Absichten. Allerdings was haben die 27 COP [5] bislang erreicht? Zumeist nicht eingehaltene Absichtserklärungen. Bei Treffen wie COP werden die Nationen zukünftig daran gemessen, was sie erreichen. Und nicht, was sie versprechen. Wenn die Ziele nicht erreicht werden, kann es kein COP mehr geben. Sanktionen müssen erfolgen.
Klimaziele sind uE nicht in Frage zu stellen. Sie sind sinnvoll wie notwendig. Sie stellen Schritte zur Reduzierung der Erderwärmung dar. Ob dies reicht, wird unter Beweis zu stellen sein. Bislang steigen die Treibhausgasemissionen weiter an. Auch die Erderwärmung liegt über den angepeilten 1,5 Grad. Klima ist leider kein lokales Problem. Es lässt sich nicht lokal lösen. Einen lokaler Beitrag kann geleistet werden. Positiv ist, dass die CO2 Reduzierung in den letzten 30 Jahren in vielen Ländern um etwa 10% gelungen ist. Allerdings steigen die CO2 Werte wieder an.[6] Zu hinterfragen ist, ob die Fokussierung auf CO2-Reduktion, die endgültige Lösung für unsere hochkomplexen ökologischen Probleme ist. Auch weil der Faktor Zeit nicht konsequent berücksichtigt wird. Gaia, unser Ökosystem Erde, samt der inflexiblen Menschheit und der Atmosphäre zeigt komplexes, nicht-lineares Verhalten. Darum kann die CO2 Reduzierung nur ein Baustein der Lösung sein.
Alle Bemühungen durch Nachhaltigkeitsreportings dem Problem zu Leibe zu rücken, dürfen bislang als wenig wirkungsvoll angesehen werden. Reporting scheint in der bisher praktizierten Weise eher willkürlich. Es gibt zu viele historisch gewachsene Systeme und Standards [7], die keine Vergleichbarkeit zulassen und die unterm Strich nicht ausweisen, dass die Erderwärmung respektive CO2 tatsächlich reduziert werden konnte. Wir wissen inzwischen immer besser, wie und was wir messen und scheinen an den Daten zu ersticken. Nachhaltigkeitsreportings von großen Unternehmen umfassen inzwischen mehr als 300 Seiten. Die Vermessung von ppm Einheiten CO2 in ökonomischen Systemen wie der Bilanz sind auf Produktebene wie für Lieferketten sehr aufwendig. Der Weltmarktführer SAP hat 2020 mit dem Produkt climate21 einen ersten Versuch unternommen. Allerdings ist dies eine hoch aufwendige analytischen Anwendung, die im Reporting endet.
Auf jeden Fall ist sinnvoll, dass die Aufwendungen, die zur Vermeidung von Treibhausgasen eingesetzt werden, auch in der Buchhaltung in der G+V erfasst werden. So erhalten wir einen Spiegel der tatsächlichen Aktivitäten eines Unternehmens, dass sich für den Klimawandel einsetzt. Selbstverständlich bleibt die Verpflichtung der Erfassung und des Nachweises der chemisch-physikalischen Stellgrößen für den Klimawandel.
Eine Frage ist auch, wie wir den Klimawandel in Zukunft mehr in der Bilanz und Buchführung verankern können. Dazu werden wir im letzten WertePost weiteres ausführen.
[1] http://www.pik-potsdam.de/~stefan/Publications/Kipppunkte%20im%20Klimasystem%20-%20Update%202019.pdf
[2] https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/#SPM
[3] https://www.nature.com/articles/s41558-021-01097-4.epdf, https://www.pik-potsdam.de/de/produkte/infothek/kippelemente, https://www.pik-potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/10-neue-erkenntnisse-der-klimawissenschaft-2021
[4] Ugo Bardi, Der Seneca Effekt, Warum Systeme kollabieren und wie wir damit umgehen können, oekom 2015
[5] https://www.tagesschau.de/eilmeldung/klimakonferenz-cop27-eu-abschlusserklarung-klimawandel-101.html
[6] https://carbonmonitor.org
[7] https://wertebilanz.com/nachhaltigkeitstandards/